Mehr als Vollformat – Zwei Jahre mit dem FUJIFILM GFX System

Mehr als Vollformat – Zwei Jahre mit dem FUJIFILM GFX System
2023-07-27 Philipp Jakesch

Mehr als Vollformat

Zwei Jahre mit dem FUJIFILM GFX System

Seit ich mich näher mit Fotografie beschäftigt habe und mir die Bildqualität immer wichtiger wurde, war es ein großer Traum von mir, einmal mit einer digitalen Mittelformat-Kamera fotografieren zu können. Die Preise von Mittelformat sind jedoch eher abschreckend, wenn man sich Hasselblad oder Phase One ansieht, bei denen eine Kamera schonmal jenseits der 40.000 Euro kosten kann. Mit dem FUJIFILM GFX System ist dieser Traum jedoch wahr geworden, denn mit wirklich fairen Preisen wurde hier ein Nerv getroffen und das digitale Mittelformat für viel mehr Fotograf:innen zugänglich gemacht.

Was bedeutet eigentlich Mittelformat?

Der Begriff Mittelformat stammt aus der analogen Fotografie und bezieht sich auf eine Gruppe von Bildformaten im Bereich zwischen 4,5 x 6 cm und 6 x 9 cm. Früher gab es auch noch größere Filmformate bzw. lichtempfindliche Träger, mit denen Bilder aufgenommen werden konnten. Das Großformat beginnt mehr oder weniger bei 9 x 12 cm und findet mit den gängigen Formaten 4 x 5 inch und sogar 8 x 10 inch mit Großformatkameras (z.B. von Sinar, Linhof oder Cambo) im Nischenbereich immer noch Einsatz. Mit dem Einzug der digitalen Technik, entstanden weitere Aufnahmeformate, die es zu analogen Zeiten noch nicht gab. Diese Formate in Form von digitalen Sensoren waren allerdings deutlich kleiner als das analoge Pendant. Neben vielen kleinen Sensoren (z.B. in Kompaktkameras, Smartphones, etc.) entstanden das 4/3- (sprich: Four-Thirds- bzw. Micro-Four-Thirds-) Format sowie das APS-C Format. Ebenso wurden die ersten Vollformat-Sensoren entwickelt und eingesetzt.

Heute gibt es zwei Sensorformate, die eine größere Fläche als Vollformat aufweisen. Die erste Mittelformat Variante wurde mit dem Hasselblad bzw. Phase One Format von ca. 53 x 40 mm entwickelt, welches nach wie vor das größte übliche Format ist. Diese High End Geräte sind qualitativ absolut großartig und tragen ein entsprechend stolzes Preisschild. Etwas später entwickelten FUJIFILM und Hasselblad parallel das „kleine Mittelformat“ mit einer Sensorfläche von 44 x 33 mm. Besonders FUJIFILM hat dabei sowohl preislich als auch qualitativ eine sehr interessante Linie entwickelt.

Wusstest du, dass…?

…die erste FUJIFILM GFX Kamera, die GFX 50S, 2017 auf den Markt gekommen ist? Aktuell gibt es 5 GFX Mittelformatkameras, 14 passende GF Objektive sowie einen 1.4-fach Telekonverter.

Zwei Jahre mit dem FUJIFILM GFX System

Nachdem das leistbare FUJIFILM GFX System auf den Markt gekommen war, rückte auch mein Traum von einer digitale Mittelformat-Kamera immer näher. Eines Tages spazierte ich durch die Steyrergasse und in meinen Händen trug ich eine weiße Schachtel, auf der, ganz subtil, der Schriftzug GFX 100s gedruckt war. Mit einem Strahlen im Gesicht und voller Erwartungen ging ich zu meinem Auto.

Wenige Tage später führte mich eine Reise in die Toskana und auf die wunderschöne Insel Elba, wo ich die Kamera intensiv testen konnte. Zuerst besaß ich nur ein Objektiv, das GF 32-64 mm f/4. Mit diesem Objektiv nahm ich in den ersten beiden Wochen im regelmäßigen Einsatz bereits über 1.500 Bilder auf. Noch nie zuvor hatte ich eine Mittelformatkamera in der Hand und ich musste die technischen Rahmenbedingungen erst verinnerlichen. Die Brennweite wird nämlich mit dem Crop-Faktor von 0,79 berechnet – die tatsächliche Brennweite ist somit kürzer – und die perspektivische Darstellung ändert sich. Weiters nimmt die Schärfentiefe beim Mittelformat, aufgrund des größeren Sensors gegenüber Vollformat, ab – die Schärfe verläuft früher in die Unschärfe.

Nach der ersten ausführlicheren Beschäftigung mit dem GFX System war ich bereits sehr happy mit dem Handling und der Robustheit. Für mich als Naturfotograf ist die Robustheit vom Equipment ein äußerst wichtiges Kriterium, denn es kommt nicht selten vor, dass meine Kamera völlig nass wird und ich mit meiner Ausrüstung längere Zeit im Regen stehe, sitze oder liege. Auch während dieser ersten Reise mit der Kamera hat es durchaus intensiven Regen gegeben und ich konnte mit dem GFX System problemlos weiterarbeiten.

The Elephant in the Room

Entgegen meiner Erwartungen ist das GFX System weder unhandlich noch übermäßig schwer. Als ich die GFX 100s gekauft habe, habe ich meine Nikon D850 eingetauscht. Diese Spiegelreflexkamera war sowohl größer als auch schwerer: Die Nikon D850 wiegt 1005 g inkl. Akku und Speicherkarte, die FUJIFILM GFX 100s im gleichen Setup 900 g. Natürlich ist es physikalisch unmöglich, mit dem größeren Sensor winzige Objektive zu bauen, das sollte man abseits der Maße der Kamera im Hinterkopf behalten, denn der Stauraum im Rucksack muss zwangsläufig wachsen. Für mich persönlich ist das Gewicht von Kamera und Objektiven kein großes Thema, denn die Bildqualität gleicht das wieder aus.

 Preislich ist das Mittelformat-Setup auf alle Fälle konkurrenzfähig, denn verglichen mit einer hochwertigen Vollformat-Ausrüstung kommt man mit dem GFX System auf ähnliche Summen. Besonders die GF Objektive von FUJIFILM zeichnen sich durch eine exzellente Schärfe bis in die Ecken und eine hochwertige Verarbeitung aus. Der Blendenring direkt am Objektiv ermöglicht ein komfortables Ablesen der eingestellten Werte, und generell überzeugt mich das System mit einem sehr angenehmen Handling.

Jedes Mal, wenn ich die Kamera in die Hand nehme, fühle ich mich wohl und kann mich kreativ auf die Szene einlassen.

Kreativitäts-Boost

Abgesehen vom hervorragenden Handling der Objektive empfinde ich die GFX 100s und die GFX 50s II in Puncto Ergonomie als besonders gelungen. Jedes Mal, wenn ich die Kamera in die Hand nehme, fühle ich mich wohl und kann mich kreativ auf die Szene einlassen. Meine Kreativität wird manchmal scheinbar durch die Kamera entfacht und ich fotografiere mit Mittelformat irgendwie „anders“. Vielleicht liegt es daran, dass die Bilder durch den extrem hohen Dynamikumfang bereits in der Kamera super aussehen und teilweise nur minimale Anpassungen benötigen. Außerdem mag ich es sehr, mit unterschiedlichen Formaten zu arbeiten und dabei ermöglicht die GFX eine angenehme Einstellung von mehreren verschiedenen Seitenverhältnissen zwischen 1:1 und 25:64. Das macht wirklich Spaß und trägt zusätzlich zur kreativen Entfaltung bei.

Eine Sache, die beim Mittelformat zum Thema wird, ist Focus Stacking. Durch die geringe Schärfentiefe ist es manchmal ein guter Weg, mehrere Aufnahmen zu einem Bild zu kombinieren, um die maximale Schärfe zu erlangen. Dabei muss nicht jede Position mühsam von selbst gesucht werden: Die Kamera fährt den Bereich automatisch ab und nimmt an jeder notwendigen Position ein Bild auf. Damit sind die Aufnahmen im Nachgang simpel und komfortabel zu kombinieren.

Die Akkulaufzeit der Kamera ist meines Erachtens spitze, wenn man bedenkt, dass bei 16 Bit RAW Bildern eine Datenmenge von ca. 130-160 MB pro Bild auf die Speicherkarte geschrieben wird. Und diese 16 Bit Farbtiefe sind besonders bei der Bildentwicklung am Computer ein wahrer Segen. Selten kombiniere ich noch mehrere Bilder, um den gesamten Tonwertumfang einzufangen und die Zeit für die Bildbearbeitung reduziert sich zusätzlich durch den bereits hervorragenden Look.

30k and still counting

Natürlich investiere ich viel Arbeit und Zeit in meine Fotografie, um immer bessere und ansprechendere Bilder zu gestalten und damit auch die Qualität meiner Fotos zu verbessern. Dennoch muss ich sagen: mit der GFX 100s habe ich das Gefühl, auch dank des Systems eine spürbare Verbesserung meiner Fotografie erlangt zu haben. Nach 2 Jahren und mehr als 30.000 Bildern mit der FUJIFILM GFX 100s ist mein Fazit jedenfalls, dass mir das System einen Qualitätssprung verschafft hat und ich irrsinnig gerne damit fotografiere – es ist eben tatsächlich mehr als Vollformat.

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Mehr über den Autor Philipp Jakesch

Philipp Jakesch
"Die Liebe zur Fotografie lässt sich schwer erlernen. Was zählt, ist die Inspiration."
Mit diesem leidenschaftlichen Bekenntnis öffnet uns der Natur- und Landschaftsfotograf Philipp Jakesch die Tür zu seiner faszinierenden Welt der Bilder. Schon in seiner Kindheit wurde sein Weg von der Schönheit der steirischen Heimat geprägt, und mit einer Kamera in der Hand fand er seine kreative Stimme. Seitdem hat er seinen eigenen Stil entwickelt und teilt seine Leidenschaft und sein Wissen gerne bei Fototouren, Workshops und Fotoreisen. 2023 erhielt er den steirischen Landespreis in zwei Kategorien und wurde mit dem MQEP, dem Master Qualified European Photographer, ausgezeichnet. Bei Foto Köberl ist Philipp im Verkauf, Content Marketing sowie als Workshopleiter tätig.